
Framing: Sprache beeinflusst unsere Wahrnehmung!
Pedelecfahrer rast mit 25 km/h über den Radweg! Autos schleichen mit 30 km/h durch die Innenstadt! Kommt Dir diese Art der Berichterstattung bekannt vor? Genau das ist ein Beispiel für Framing: Durch die Wortwahl entsteht ein bestimmtes Bild in unseren Köpfen. Der Pedelecfahrer wird als Raser dargestellt, obwohl er sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegt. Das Auto hingegen „schleicht“, obwohl es sich schneller als der Radfahrer fortbewegt. Doch was steckt eigentlich hinter diesem Framing, und warum ist es so problematisch?
Ein Vortrag öffnete mir die Augen!
Vor einigen Wochen besuchte ich die ADFC-Veranstaltung „Aufbruch Fahrrad 2024“ in Aurich und hörte dort einen hochinteressanten Vortrag über Framing. Ein junger Polizeibeamter stellte seine Masterarbeit dazu vor und erklärte, wie Wortwahl und Berichterstattung unser Denken beeinflussen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich den Begriff Framing nicht gekannt – aber plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich hatte selbst schon einmal einen Brief an die Redaktion der Grafschafter Nachrichten geschrieben, um auf eine verharmlosende Berichterstattung bei Radfahrunfällen hinzuweisen. Und siehe da: Wenig später wurde in einem Newsletter des Chefredakteurs zumindest auf die Verantwortung der Medien hingewiesen. Ein kleiner Fortschritt!

Warum ist Framing in der Berichterstattung von Fahrradunfällen so problematisch?
Die Art, wie Unfälle beschrieben werden, hat einen enormen Einfluss darauf, wie wir Schuld und Verantwortung wahrnehmen. Ein Klassiker: „Der Radfahrer wurde vom Auto erfasst.“ Klingt neutral, oder? Ist es aber nicht. Denn das Auto fährt nicht von selbst – es gibt immer eine Fahrerin oder einen Fahrer, der die Kontrolle hat. Die korrekte Formulierung wäre also: „Die Autofahrerin überfuhr die Radfahrerin.“ Das klingt drastischer – aber eben auch realistischer.
Noch problematischer wird es, wenn Medien bei Unfallmeldungen „zusätzliche“ Informationen liefern, die das Opfer in ein schlechtes Licht rücken: „Der Radfahrer trug keinen Helm.“ Was impliziert das? Dass er selbst schuld ist? Und dann noch der obligatorische Satz: „Der Sachschaden beträgt mehrere tausend Euro.“ Plötzlich wird der materielle Schaden als relevanter dargestellt als das menschliche Leid.
Diese subtile, aber wirkungsvolle Manipulation durch Sprache beeinflusst unsere Wahrnehmung enorm. Wer sich regelmäßig mit Berichterstattung dieser Art konfrontiert sieht, übernimmt unbewusst diese Denkmuster und beginnt, Opfer und Täter anders zu bewerten. Die Folge: Radfahrende werden als unvorsichtig oder gar fahrlässig abgestempelt, während Autofahrer oftmals als unverschuldet in Unfälle verwickelt dargestellt werden.
Hat sich durch die Diskussion etwas geändert?
Ich fragte den jungen Polizeibeamten nach der Resonanz auf seine Forschung. In Nordrhein-Westfalen, so sagte er, gibt es bereits Weiterbildungen und eine Werbekampagne der Polizei, die Begriffe wie #SicherheitimStraßenverkehr und #Leben bewirbt. Für Niedersachsen oder die anderen Bundesländer könne er die Entwicklung nicht beurteilen. Dennoch zeigt sich: Das Bewusstsein für dieses Thema wächst, und es gibt erste Ansätze, das Framing in der öffentlichen Kommunikation zu verändern.
Was können wir als Leser tun?
Wir sollten die Berichterstattung bewusster wahrnehmen und hinterfragen. Fällt Dir eine tendenziöse Formulierung auf? Schreibe an die Redaktion! Diskutiere darüber! Nur so kann sich etwas ändern.
Vielleicht sollten sich verantwortliche Stellen zukünftig viel mehr vornehmen, sprachliche Verzerrungen zu vermeiden – Polizeivertreter in Unfallberichten, Pressevertreter in der Berichterstattung, wir alle in Gesprächen oder bei der Nutzung von sozialen Medien. Denn Sprache formt unser Denken, und unser Denken formt die Gesellschaft. Also: Framing erkennen, sich bewusst machen und gegensteuern!

Wie denkst Du darüber?
Ist Dir schon einmal ein problematisches Framing in der Berichterstattung aufgefallen? Hast Du Beispiele, die Du teilen möchtest? Lass uns gemeinsam daran arbeiten, die Sprache bewusster zu nutzen und für eine objektivere Berichterstattung zu sorgen.