Ach – wären Sie doch bloß Autofahrer geblieben! Oder – der Ton macht die Musik!

Ach – wären Sie doch bloß Autofahrer geblieben! Oder – der Ton macht die Musik!

An einem Sonntagnachmittag radelten wir, wie jeder „Grafschafter“ Radfahrer, der etwas auf sich hält, in die nähere Umgebung. Dabei stellten wir mit Genugtuung fest, dass immer mehr Menschen sich inzwischen auf unseren Radwegen tummeln. Eigentlich ein erstrebenswerter Zustand, oder?

Wir passierten die Fahrradzählstation direkt am Beginn der Radstrecke und registrierten wohlwollend die hohe Akzeptanz des Fahrrads in der Grafschaft Bentheim. Aktuell erwarten wir in diesem Jahr über 500 000 Radfahrer an dieser Zählstation. Und mit einem Modal Split von rund 40 % ist man als ambitionierter Radfahrer zwar stolz über die Fahrradnutzung im Alltag, erkennt aber auch schon die Kehrseite der Medaille.

Fahrradzählstation am Vechtesee in 2021

Die von der Bundespolitik für 2030 ins Auge gefasste proklamierte Verkehrswende ist bisher nicht einmal umgesetzt. Trotzdem fragt man sich: Wo sollen eigentlich die gewünschten Radfahrer wohl alle hin? Vor allem etwas untypische Räder machen deutlich, dass der Platz begrenzt ist. Gegenverkehr mit Lastenrädern, Fahrrad mit (Kinder-)Anhängern führen zu verängstigten Blicken bei den Radfahrern, die sich auf den vorhandenen Radwegen begegnen.
Mit unserem Tandem tragen wir zwei Radfahrer da eher zu einer Entkrampfung bei unseren nebeneinander fahrenden „Entgegenkommern“ bei.

… es hat sich bei den Radfahrern etwas verändert!

Aber nicht nur die Dichte auf dem Fahrradweg hat sich in letzter Zeit verändert. Seit einiger Zeit bemerke ich häufiger von einigen Radfahrern ein Kopfschütteln, manchmal sogar eine unflätige Handbewegung, wenn sie mit meinem oder dem Fahrstil anderer Radverkehrsteilnehmer nicht zufrieden sind. Gelegentlich hört man sogar aggressive Ausrufe!

Ich denke zurück an die Zeit, als ich noch sehr jung war. So etwas hat es doch damals nicht gegeben?! Damals waren wir Fahrradfahrer noch unter uns! Na na, ein Hupen gab es ja nicht, das ging eher von Autofahrern aus und das Klingeln von anderen Radfahrern hat man nicht richtig als Störung wahrgenommen. Eher wie ein freundlicher Hinweis. Aber die Auswahl an so unterschiedlichen Klingeln war wohl damals auch nicht so groß wie heute. Inzwischen gibt es ja sogar besonders laute akustische Signale.

Als Liege-Radfahrer fuhr ich täglich 30 Jahre mit dem Rad zur Arbeit und bewegte mich schon immer schneller als mit einem konventionellen „Hochkant-Rad“. Man erinnerte mich auch damals schon, doch öfter einmal zu klingeln, -weil ich ja so schlecht wahrgenommen würde! Und so habe ich mir schon seit vielen Jahren wiederholt eine besondere Klingel an meinem Fahrrad nachgerüstet, weil der Klang mir bereits damals besonders freundlich vorkam. Diesen Klingeltyp benutze ich noch heute, weil ich damit wohldosierte akustische Signale von mir geben kann, ohne genervte Blicke zu ernten, und manchmal reicht mir auch ein einfaches „Hallo!“

Aber es geht auch anders:

Wir fuhren vor kurzer Zeit wiederum auf unserem Tandem auf einem Radweg mit zügigem Tempo in Richtung Niederlande. Mit dem Tandem fährt man schon ohnehin schneller als mit einem normalen Rad. Hinzu kam, dass wir auch noch ein nagelneues Tandem fuhren, das inzwischen ebenfalls mit einer elektrischen Unterstützung ausgestattet ist. Plötzlich riss uns ein lang anhaltendes Klingeln aus unseren Gedanken. Irritiert schauten wir uns um. Wollte uns ein Bekannter grüßen, oder gab es eine gefährliche Situation in unserem unmittelbaren Umfeld? Nichts von alledem. Irgendwann nahmen wir wahr, dass ein älterer Herr in 30 -40 Metern hinter uns eine längere Zeit laut klingelte. Er wollte uns offensichtlich warnen, dass er mit einem noch schnelleren Tempo an uns vorbeifahren wollte.

Ok – soll er, dachte ich, und dann passierte er auch bald unsere Position und entfernte sich sehr langsam von uns. Er muss also ungefähr 2–3 km/h schneller fahren als wir. Da unser Tachometer fast 23 km anzeigte, dann dürfte er also ungefähr seine Höchstgeschwindigkeit auf seinem E-Bike erreicht haben.
Irgendwie machte mir das Klingeln Angst, und hinterließ bei mir ein Gefühl von Aggression. Bei mir formulierte sich in Gedanken der Satz: „Ach wären Sie doch nur Autofahrer geblieben!“
Manchmal frage ich mich schon, wann denn wohl die „Abarth Anlage“ für Fahrräder erhältlich ist, um andere Radfahrer durch eine höhere Lautstärke auch auf eine höhere Geschwindigkeit hinzuweisen.

Wir Radfahrer sollten uns nicht alle Dinge der Autofahrer zu eigen machen!

Wer kennt nicht die folgenden Situationen, die mir auf unseren Autostraßen allzeit präsent sind:

– Ich setze zum Überholen an, da werde ich noch eben von einem anderen, schnelleren Autofahrer überholt und muss abrupt abbremsen, um einen Unfall zu vermeiden …
– Ich will gerade auf einen Parkplatz einscheren, da kommt ein anderes Auto und macht mir den Platz streitig …
– Ich fahre schon so schnell ich darf, trotzdem drängelt ein Autofahrer von hinten und ich bin fast geneigt, dem Drängler Platz zu machen …
– Aggressives Schimpfen von Verkehrsteilnehmern, wenn die Ampeln zu lange rot zeigen, oder auch nur eine längere Zeit benötigen, um in den laufenden Verkehr aufgenommen zu werden …
– Belehrende Hinweise, wenn man nicht rechtzeitig den Blinker gesetzt hat, oder sich als Ortsfremder nicht forsch genug Platz macht für den nachfolgenden Verkehr …

Diese Liste könnte ich noch um viele weitere Beispiele ergänzen.

Sind Radfahrer inzwischen anders geworden?

Sosehr ich die Vorteile des E-Bikes verteidige, spüre ich auch, dass inzwischen eine ganz andere Radfahrerklientel die Radwege bevölkert: ehemalige Verkehrsteilnehmer, die dem Benzingeruch und „Überlebenskampf“ auf den Straßen über Jahre getrotzt haben. Verkehrsteilnehmer, für die es fast selbstverständlich war, die Frage des Überholens, als Frage des Portemonnaies zu definieren?
Wenn man als Autofahrer nur 80 fährt, obwohl die Verkehrssituation keine Geschwindigkeitsbegrenzung vorschreibt, muss man erwarten, von der Straße gehupt oder „geschoben“ zu werden. Das war doch bisher auf dem Radweg nicht der Fall!
Es gab zwar schon immer schnelle (Renn- oder Liege-)Räder, aber man respektierte auf den Radwegen das ungeschriebene Recht, die Geschwindigkeit zu fahren, die man fahren will oder kann. Hoffentlich bleibt das so. Und wer das nicht akzeptiert, der soll doch einfach Autofahrer bleiben und uns Radfahrern „nicht auf den Keks“ gegen!

… auf unsere alten Tugenden als Radfahrer besinnen

Mir wäre es am liebsten, wenn wir uns auf unsere alten Tugenden als Radfahrer besinnen. Und wer das nicht will, der soll einfach Autofahrer bleiben! Einer muss doch unsere vorhandenen Autostraßen benutzen, unsere lieb gewordene „Autokultur“ hochhalten und weitere (Schnell-)e” Straßen fordern.
Solche Verkehrsteilnehmer brauchen wir nicht auf unseren Radwegen.

Bisher empfand ich das Radfahren immer als Erholung, als entspanntes Überbrücken, um von A nach B zu kommen.
Auch als gemütlich radelnder Radfahrer höre ich inzwischen schon öfter Schimpftiraden, wenn ich ohne Klingelzeichen an einem Fußgänger vorbeifahre. Dabei will ich ihn doch nur nicht erschrecken oder aus seinen Träumen reißen!

Was soll ich jetzt machen?

Beim nochmaligen Lesen meiner Meinung spüre ich, dass mich die erlebte Aggressivität selbst schon erreicht hat. Das wollte ich eigentlich nicht bezwecken – „denn der Ton macht die Musik“ – und ich kaufe mir lieber eine neue Klingel (… die Klingel der Stadt Nordhorn klingt auch sehr angenehm).

2 Gedanken zu „Ach – wären Sie doch bloß Autofahrer geblieben! Oder – der Ton macht die Musik!

  1. Fietsenbimmeln

    Hinter dir da klingelt es,
    laut und aggressiv .
    Kommt das allzu häufig vor,
    wird die Stimmung mies.
    Frühling, Sommer, Herbst –
    lässt kaum nach der Schmerz.
    Erst im Winter,Weihnachtsfest, baust du dir ein ruhiges Nest:
    Glühwein, Kekse, Weihnachtsbaum…
    Doch was liegt , du glaubst es kaum,
    unter diesem Kerzenbaum?
    Als Geschenk ne Fietsenklingel!
    Faustgroß…..laut…. und schwer wie Blei!
    Damit wird der Radweg frei!!
    „Damit schaffste Platz!“,
    ruft dir zu dein Schatz.
    „So machen wir’s im nächsten Jahr“ .
    Hals und Beinbruch, alles klar
    // Martin Liening, 17.10.2023
    für Burkhard und Moni

    1. Ohhhhhh – Dankeschön 😁👏 …und schon bringst du uns heute am frühen Morgen zum Staunen und Lachen. Die „miese“ Grundstimmung ist wieder wie weggeblasen🫶
      Dir auch einen guten Tag . 🙋‍♂️🙋‍♀️

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