Griechenland – anders als geplant!
Eine Radtour mit dem Liegerad durch Griechenland mit schlimmem Ende!?
Die Landschaft erinnerte eher an Irland als an Griechenland!
Griechenland präsentierte sich uns total anders als wir es uns vorgestellt hatten. Schlechtes Wetter, Regen, Schnee, wir fuhren durch grüne, bergige Regionen.
Und dann versagten die Bremsen!
Nach einem langen Tag wollten wir lediglich noch einen Pass mit 1300 Metern Höhe bezwingen und dann gemütlich eine lange Abfahrt genießen. Alles verlief zunächst planmäßig. Doch irgendwann realisierte ich auf der Abfahrt, dass die Bremsen nicht mehr richtig verzögerten. Ich versuchte alles…
Die vollständige Beschreibung dieser Reise findest Du in meinem Buch: „Die außergewöhnlichen Radtouren eines Bürokraten“. (s. Mein Buch) und auch auf meinem YouTube Kanal!
… letztendlich habe ich überlebt! 🙂
Die Kurzversion:

Start am 13. Mai. bei untypischem Wetter. Die ersten Kilometer waren anstrengender als erwartet.
Bald bemerkte ich eine Bindehautentzündung, die bekomme ich leicht, wenn ich zu Anfang der Radsaison Sonnencreme und Schweiß ins Auge reibe. Daher bewältigte ich die ersten Kilometer mit einem verbundenem Auge.

Nach einem unerwarteten Wintereinbruch passierte das Unvorstellbare – die Bremsen versagten auf einer langen Abfahrt! … D i e Horrorvision eines jeden Radfahrers! Aber ich habe überlebt!


…13 Jahre später…
Jetzt, 13 Jahre später, mache ich mit meiner Partnerin eine „Revival Tour“ mit dem Auto von Igoumenitsa bis an die Unfallstelle kurz vor Veria. Auch in diesem Jahr starteten wir in Igoumenitsa bei herrlichem Wetter, und in den folgenden Tagen verschlechterte sich das Wetter in Ioannina, Metsovo Grevena, und Kosani.










Und dann kamen wir an die Unfallstelle. Ich musste schlucken und lese in meinem Tagebuch von damals:
Am Tag danach –
Gestern waren wir gut losgekommen. Der Weg war verhältnismäßig eben. Keine so anstrengenden Steigerungen. Es blieb trocken aber kühl. Gegen Abend wollten wir 100 km gefahren sein – mit einem 1300-er kurz vor dem Etappenziel. Ein 1300 Meter Pass war inzwischen kein wirkliches Hindernis. Wir fuhren ohne Pause den „Kastanea Pass“ (1360 m) hoch und gönnten uns auf dem Kamm eine heiße Lammsuppe mit Cola. Anschließend wollten wir genüsslich den ganzen Berg (ca. 13 km) bergab „rollen lassen“ und uns ein Quartier suchen.
Alles war normal. Alle paar Sekunden bremsten wir in Intervallen, um nicht zu schnell zu werden. Trotzdem fuhr ich ungewohnt schnell an meinen Mitfahrer auf. Ich realisierte, dass die Bremsen irgendwie nicht mehr richtig verzögerten (!). Schon überholte ich meinen Mitfahrer mit erheblich höherer Geschwindigkeit und löste wegen des übertriebenen Tempos bei meinem Mitstreiter nur Kopfschütteln aus. Aber ich hatte ein echtes Problem. Ich versuchte die Füße auf den Boden zu bringen und die Geschwindigkeit abzubremsen. Aber sie wurden mir unter dem Körper weggerissen und ich hatte alle Mühe nicht ins Trudeln zu kommen. Eine solche Situation hat ich bisher nur in typischen Actionfilmen gesehen – dort bremst der Fahrer das Auto, indem er an der Steilwand entlang schleift und so das Auto zum Stoppen bringt – aber mit dem Liege-Fahrrad??
In rasendem Tempo schoss ich die Abfahrt hinunter. Rechts und links war die Straße von einer kleinen Mauer begrenzt, so dass ich die Straße nicht kontrolliert verlassen konnte. Bei einem kurzen Blick auf den Tacho zeigt dieser inzwischen eine Geschwindigkeit von über 7o km (!!). Ich hoffte immer noch, dass ich die Straße irgendwo in einer Ausfahrt oder ein Schotterbett wie in den Alpen z. B. üblich, verlassen konnte und schoss bergab. Trotz des hohen Tempos suchte ich den Straßenrand nach irgendwelchen Ausfahrmöglichkeiten ab.
Bei jeder Kehre versuchte ich über den Abgrund zu sehen und meine Sturzmöglichkeiten einzuschätzen. Ich machte mich möglichst groß, in der Hoffnung, durch den höheren Luftwiederstand die Geschwindigkeit zu reduzieren, eine Kehre später habe ich noch die Handbremse manipuliert, um noch mehr Bremswirkung zu erzielen. Im Nachhinein wundere ich mich, wie logisch und überlegt ich mich noch mit der Situation auseinandergesetzt habe, wenngleich meine Gedanken sich wohl nur in Bruchteilen von Sekunden abspielten. Ich raste mit unheimlichem Tempo die Abfahrt hinunter. Ich realisierte, dass mich ein voll besetztes Auto noch bei diesem Tempo überholte. 4 bewundernd applaudierende Jugendliche überholten mich auf einem kleinen Flachstück, um dann wieder vor der nächsten Kurve abzubremsen. In diesem Moment habe ich ganz bewusst ein Stoßgebet herausgepresst. Ich ahnte, dass eine der nächsten Kehren das Ende für mich bedeutete. Ich hatte Angst vor einem entgegenkommenden Auto. Wie und wo sollte ich an diesem Auto vorbeikommen. Ich raste inzwischen in der Mitte der Straße um alle Kehren und Kurven voll ausfahren zu können. Ich meine, 4-5 Kehren habe ich noch geschafft. Ich konnte gar nicht glauben, dass die Reifen noch immer auf den Felgen hielten. 30 kg Gepäck presste mich in jede Kurve – ich glaubte mit der Schulter die Erde zu streifen. Ich rechnete mir inzwischen nicht mehr aus, mehrere Kurven noch durchfahren zu können. Die nächste Kurve schien mir geeignet zu sein, um mich in der Kurve hinzuwerfen und mit den Rädern voraus gegen die Seitenbefestigungen zu rutschen. –
Es knallte, ich weiß noch, dass der Erdboden rasend schnell auf mich zukam. Ich spürte noch einen scharfen leichten Schmerz am Unterschenkel – als wenn jemand mich mit dem Fingernagel kratzt. Ich hörte ein Knacken am Kopf – dann fand ich mich genau zwischen zwei brusthohen Felsblöcken auf dem Boden liegen, mein linkes Bein unter mir eingeknickt – aber – ich konnte denken, ich spürte meine Hände, meine Beine. Ich befreite mein linkes Bein unter meinem Körper – und sah auf einen tiefen langen Riss am linken Unterschenkel. Ich konnte meinen Schienenbeinknochen gut sehen. Die Wunde klaffte deutlich auseinander – es blutete stark – aber außer ein paar kleinen Schürfwunden am Arm hatte ich keine weiteren Verletzungen. Der Fahrradreifen hörte langsam auf zu zischen. Wenige Sekunden später hielt ein Auto – welches mir entgegengekommen war. (Wie wäre ich daran vorbeigekommen, wenn ich diese Kurve noch geschafft hätte?) Die Fahrerin (eine Griechin mit exzellenten Deutschkenntnissen vom Studium in Deutschland) konnte die Polizei und den Rettungsdienst zu meiner Unglücksstelle dirigieren – (weder ich noch mein Mitfahrer hätten die Unglückstelle genau beschreiben können- erst recht nicht auf Griechisch). In der Nacht wurde ich noch operativ versorgt und nach einem 7-tägigen Krankenhausaufenthalt in einem kleinen Krankenhaus kurz vor Thessaloniki konnte ich wieder – mit griechischen Gehilfen ausgestattet- nach Deutschland zurückfliegen.
Es ist mir sehr klar geworden, dass ich vielen, vielen Schutzengeln danken muss, die in diesen Minuten Hand in Hand zusammengearbeitet haben müssen. So viel Glück wie ich hatte- kann es eigentlich nicht geben-
…ich hätte keine Sekunde länger noch auf dem Rad sein dürfen, dann wäre ich mit dem Auto frontal kollidiert-
…ich hätte nicht 10 cm weiter links oder rechts aufschlagen dürfen, dann wäre ich auf einem Felsblock gelandet-
…ich hätte mir keine andere Kurve für so einen Sturz aussuchen dürfen, dann wäre ich womöglich hunderte Meter den Berg hinabgestürzt-
…ich habe einen Helm getragen!!
Die Polizisten haben mir später im Krankenhaus erklärt, dass beide Bremsen (Scheibenbremsen) komplett ausgeglüht – die Plastikteilchen an der Bremse verschmolzen waren. Erst als ich meinen Fahrradhelm zurückerhielt, erkannte ich, dass er mitten auf dem Kopf gebrochen war. – …das war das Knacken was ich gehört hatte!
Ich kann nur spekulieren, wie es zu dem Bremsversagen kam. Sicherlich war ich auch im Grenzbereich der technischen Belastbarkeit und bin überrascht, wie stabil sich mein Liegerad in dieser Fahrsituation noch verhalten hat.
Die ungeplanten Tage in einem griechischen Krankenhaus waren eindrucksvoll für mich. Die Gespräche mit dem Pflegepersonal, der etwas andere Einblick in das griechische Gesundheitswesen, die unerwartete spontane Gastfreundschaft der Griechen: ich erhielt Besuch von einem deutsch sprechenden Griechen, die nur von meinem Unfall gehört hatten! Für mich alles eine neue Erfahrung –
Alles verlief anders als geplant, auf dieser Tour – die eigentlich noch nicht zu Ende ist.
… und dann?
Im nächsten Sommer haben wir die Tour in Richtung Istanbul fortgesetzt – Startpunkt war die Unfallstelle am Pass von Kastanéa.
Und wie es dann weitergegangen ist und welche Radtouren ich noch gefahren bin kannst Du in meinem Buch „Die außergewöhnlichen Radtouren eines Bürokraten“ lesen.