Miteinander im Straßenverkehr
Im Oktober und November dieses Jahres hatte ich auf Einladung der SPD in der Grafschaft an drei Abendveranstaltungen in Uelsen, Nordhorn und Bad Bentheim den „Fahrradklimatest 2024“ vorgestellt und diskutiert. Neben den regionalen Erkenntnissen zur Entwicklung des Radverkehrs in allen Kommunen der Grafschaft Bentheim wurden übereinstimmend in allen(!) drei Veranstaltungen das „Miteinander im Straßenverkehr“ und die „Rücksichtnahme im Straßenverkehr“ thematisiert: Nicht nur unterschiedliche Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer, Fußgänger und Autofahrer sollten mehr Rücksicht aufeinander nehmen. Besonders stressig wurde die Diskussion jeweils dann, wenn es um die Nutzung von „FAT-Bike“ und „e-Roller“ ging. Dabei zeigen die neuesten Ergebnisse des „Fahrradklimatests“ überhaupt keine Anzeichen für ein schlechtes „Miteinander“. Vielmehr waren die gefühlten Werte in unserer Region deutlich besser als im Bundesdurchschnitt. „Hat sich in den vergangenen Monaten so viel verändert?“, fragte ich mich.

Und dann erlebte ich auf dem Rückweg von Bad Bentheim folgende Geschichte:
„… und Tschüss“ oder „Atemlos – durch die Nacht“ :
Ich radelte die letzten wenigen Kilometer von der Fahrradklima-Veranstaltung mit meinem kleinen Klapprad (ohne E-Antrieb) nach Hause. Es war schon 22:00 Uhr. Ich radelte – vom Südufer kommend – am Nordhorner „Vechtesee“ entlang, alleine, es war sehr ruhig und dunkel, und ich genoss die Fahrt in Richtung Pier 99, als ich ein unbekanntes Surren wahrnahm. Ich schaute an meinem Klapprad hinab, ob sich ein Blatt oder Zweig zwischen Rad und Schutzblech verfangen hatte. Plötzlich erkannte ich das Geräusch – ein sogenanntes FAT-Bike mit dem unverkennbar lauten Geräusch der überdimensional breiten Reifen auf dem asphaltierten Radweg.
Ich selbst fuhr ca. 20 km/h und wurde trotzdem schon bald von einem jungen Mann mit hohem Tempo überholt. Der Fahrer saß ganz entspannt, ohne Helm und lediglich mit Baseballkappe auf dem „Rad“, und brauchte trotz des hohen Tempos nicht einmal zu treten!
Ich war soeben noch von den Diskussionsteilnehmern der Fahrradklima-Veranstaltung darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Radverkehr sich nicht ausschließlich aus Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern zusammensetzt. In zunehmendem Maße sorgten „E-Roller“ sowie die sogenannten „FAT-Bikes“ für den Unmut der Diskussionsteilnehmer. So sah ich mich unmittelbar veranlasst, diesen jungen Mann auf diese Problematik hinzuweisen. Ich verfiel also aus meinem entspannten „Nach-Hause-rollen“ in den „Verfolgungsmodus“.
… und ich kann mit dem Klapprad – auch ohne E‑Unterstützung – noch ein hohes Tempo erreichen! 🚲😅
Mein Jagdtrieb war geweckt. Schnell kam ich auf eine Geschwindigkeit, mit der ich den Anschluss an diesen jungen Mann langsam herstellen konnte. Vielleicht musste dieser auch durch mehrere enge Kurven im Bereich zwischen Vechtesee und VVV sein Tempo verlangsamen, jedoch konnte ich kurz hinter dem ehem. ZOB den Anschluss wiederherstellen. Jetzt trennten uns nur noch 2–3 Meter. Und als die Ampel an der Lingener Straße „Rot“ zeigte, kamen wir nebeneinander zu stehen.
Nachdem ich kurz verschnauft hatte, sprach ich ihn an und warf ihm atemlos vor:
- Mit diesem „Motorrad“ auf einem Rad-/Fußweg mit deutlich über 30 km/h zu fahren, ohne überhaupt treten zu müssen,
- Kein Nummernschild an diesem „Motorrad“ (oder ist das noch ein Fahrrad???) zu haben
- Keinen Helm, bei dieser Geschwindigkeit zu tragen – geht alles überhaupt nicht!
Er schaute mich an und antwortete cool und vorwurfsvoll: Na und? Macht doch nichts!
Offensichtlich war sich der vielleicht 17-jährige junge Mann überhaupt keiner Schuld bewusst.
„Okay“, sagte ich, „dann zeige ich Dich jetzt eben an! Dann erkläre Dein Verhalten doch der Polizei!“ Ich zückte mein Handy und wollte den jungen Mann fotografieren!
Doch der sagte nur: „Und tschüss!“ Überquerte bei „Rot“ die Straße und verschwand in einer Seitenstraße. 🤷♂️😤
Ich blieb an der Ampel stehen. Was sollte ich machen? Es ergab keinen Sinn, mit weit über 30 km/h auf einem „Klapprad“ ein „Motorrad“ zu verfolgen. Und was wäre dann?
Ich ärgerte mich über mich selbst, dass ich mich zu so einer Aktion hatte hinreißen lassen.
Dabei würde ich viel lieber erreichen, dass unser „Miteinander“ im Straßenverkehr problemloser funktionieren würde.
Ihr merkt, die Geschichte ging mir noch länger nach. Ist das „Miteinander im Straßenverkehr“ ein Thema, das nicht nur mich, sondern offensichtlich viele Mitmenschen beschäftigt?
„Miteinander“ im Straßenverkehr – warum ist das eigentlich so schwer?
Eigentlich wollen alle nur heil von A nach B kommen. Trotzdem reicht oft ein Blinker zu spät, ein Rad auf der falschen Seite, die unangepasste Geschwindigkeit eines „Fat-Bikers“ oder ein Fußgänger mit Handy, und schon liegen die Nerven blank.
Da fährt die Rentnerin, die seit 40 Jahren dieselbe Strecke kennt. Daneben der junge Typ auf dem Scooter, der mit Google Maps im Ohr lebt. Das FAT-Bike wirkt für manche wie ein Panzer, für andere wie pure Freiheit. Und das Auto? Für die einen Arbeitsplatz, Sinnbild für Wirtschaftswachstum oder Arbeitsplatzgarantie, für die anderen rollender Stressraum.
Jeder bringt seine Gewohnheiten mit. Seine Geschwindigkeit. Seine Ängste und seine Zeitnot. Und alle treffen sich auf denselben Quadratmetern Asphalt.
Autofahrer schimpfen über (alle) Radfahrer, Radfahrer über (alle) Autofahrer, Fußgänger über „Alle“. Und irgendwo dazwischen düsen E-Scooter und FAT-Bikes durch Fußgängerzonen – wir rufen nach der Polizei, die dieser „Unordnung“ ein Ende bereiten soll. Und diese sieht wiederum, bedingt durch den eklatanten Personal-/Fachkräftemangel, womöglich wichtigere Dinge als eigentliche Aufgabe an.
Man sollte …
… und da ist es wieder – das bekannte Problem in Deutschland. 😅 Jeder moniert nur, was man (!) machen könnte, sollte oder müsste, und trägt damit dazu bei, alles nur negativ zu sehen, weil nichts oder nichts Konkretes passiert.
Wäre doch schön, wenn stattdessen jeder für sich überlegt, w i e man eine Situation selbst ändert oder verbessert. 🤷♂️ Und dann: „Ran an den Speck“. Wahrscheinlich finden sich dann auch andere Menschen, die mitmachen.
Warum wir so schnell genervt sind
Ein Grund ist simpel: Wir sehen nicht den Menschen, sondern verallgemeinern zu sehr!
Immer dann, wenn jemand etwas verallgemeinert und sagt, „die Radfahrer“, „die Autofahrer“, „die E‑Biker“, dann sollten wir sehr vorsichtig sein mit einer Aussage. 🤷♂️👍 Sie stimmt auf jeden Fall nicht‼️
Und wenn wir diese beiden Dinge vermeiden, oder noch einmal hinterfragen, dann ist schon viel erreicht.
„Die größte Gefahr im Verkehr sind Autos, die schneller fahren, als ihr Fahrer denken kann.“
(Robert Lembke)